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Goethes Faust und die Hawkins-Bewusstseinsskala: Parallelen einer Entwicklungs-Reise

Aktualisiert: 17. März


Johann Wolfgang von Goethe war nicht nur Dichter, sondern auch ein vielseitiger Denker, der sich für Naturwissenschaften, Philosophie und die Erforschung des menschlichen Bewusstseins interessierte. Seine Tragödie Faust erzählt von der Suche nach Wissen, Erfüllung und letztlich einer höheren Wahrheit. Betrachtet man Fausts Entwicklung, zeigt sich, dass sich seine innere Reise in vielerlei Hinsicht in den Stufen der Bewusstseinsskala von David R. Hawkins widerspiegelt.



Grau, treuer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum. Goethe Faust



Goethes langer Weg mit Faust


Goethe hat über 60 Jahre an Faust gearbeitet – ein ganzes Leben lang. Dass er zwischen Faust I und Faust II zwei Jahrzehnte pausierte, spricht dafür, dass dieses Werk mehr ist als eine bloße Erzählung. Es scheint, als hätte Goethe selbst in diesen Jahren nach Antworten gesucht – nach einem tieferen Verständnis dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein. Seine Faust-Werke sind keine fertigen Antworten, sondern eine Einladung, über die großen Fragen des Lebens nachzudenken: Was treibt uns an? Wann führt unser Streben zu Wachstum, wann in die Irre? Und was ist letztendlich wirklich das Wichtige für ein erfülltes Leben?


Die Geschichte von Faust wurzelt in einer alten Legende - der Faust Sage – ein Gelehrter, der nach grenzenlosem Wissen sucht und sich dabei auf einen Pakt mit dem Teufel einlässt. Doch Goethe macht daraus weit mehr als nur eine Erzählung über Gier und Versuchung. Er nutzt diese Figur, um eine tiefere Frage zu stellen: Was bedeutet es wirklich, nach Erkenntnis und Erfüllung zu streben?




Fausts Reise durch die Hawkins-Bewusstseinsebenen


Schaut man sich an, welche inneren Wandlungen Faust im Laufe seiner Lebensreise durchlebt, kann man durchaus eine Entwicklung durch die Bewusstseinsstufen, die David R. Hawkins in seiner Bewusstseinsskala definiert hat erkennen:


Scham, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung


Zu Beginn der Tragödie steckt Faust in einer tiefen existenziellen Krise. Er hat alle Wissenschaften studiert, doch findet keine Antworten auf die großen Fragen des Lebens. In seiner Verzweiflung erwägt er sogar den Selbstmord:

„Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiert mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“

Diese Phase entspricht den unteren Ebenen der Hawkins-Skala – Scham, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.



Verlangen und Gier


Als Mephisto erscheint, verspricht er Faust die Erfüllung all seiner Wünsche. Faust lässt sich auf den Pakt ein, getrieben von Begierde und dem Wunsch nach tieferem Erleben. Besonders in der Beziehung zu Gretchen zeigt sich dieser Zustand:

„Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?“

Fausts Verlangen führt schließlich zu Gretchens Verderben – eine Handlung, die von unkontrollierter Gier geprägt ist.



Wut, Stolz und Machtstreben


In Faust II strebt Faust nach Größe und Einfluss. Er beteiligt sich an politischen Intrigen und setzt seine Macht ein, um seine Visionen zu verwirklichen. Sein Stolz und Ehrgeiz treiben ihn an, doch er bleibt innerlich zerrissen:


„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen; die eine hält, in derber Liebeslust, sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.“

Hier bewegt sich Faust auf der Schwelle zwischen Stolz und ersten Ansätzen von Erkenntnis.



Mut, Verantwortung und Sinnsuche


In der späteren Phase von Faust II vollzieht sich ein Wandel. Faust will nicht mehr nur genießen, sondern auch erschaffen. Mit der Landgewinnung durch Trockenlegung eines Küstengebiets will er künftigen Generationen eine Heimat schaffen.


"Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.“

Hier erreicht Faust die Bewusstseinsebenen von Mut und Verantwortung.



Erkenntnis, Erlösung und Erleuchtung


Kurz vor seinem Tod glaubt Faust, den Moment vollkommener Erfüllung gefunden zu haben. Doch nicht sein Werk, sondern seine innere Wandlung führt zur Erlösung. Höhere Mächte retten seine Seele – ein Symbol für die letzte Stufe der Bewusstseinsskala.


„Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“

Diese Szene spiegelt die höchsten Bewusstseinsebenen wider: Liebe, Frieden und letztlich Erleuchtung.



Hawkins Bewusstseinsskala - Bewusstseinsstufen

Was Goethe mit Faust zeigen wollte


Die Lehren aus Faust I und Faust II lassen sich nicht auf eine einfache Moral reduzieren. Goethe stellt vielmehr das unersättliche Streben des Menschen nach Sinn, Wachstum und Entwicklung in den Mittelpunkt.


  • Faust I zeigt, dass Wissen und Vergnügen nicht automatisch Erfüllung bringen. Faust sucht nach Sinn, wird von Mephisto in Versuchung geführt und scheitert an seiner Verantwortung. Doch sein Streben ist nicht grundsätzlich falsch – es fehlt ihm nur die innere Reife.

  • Faust II erweitert dieses Thema um Macht, Fortschritt und Gestaltung. Fausts Streben wird produktiver, aber auch gefährlicher. Er glaubt, durch Schaffen und Herrschen Erfüllung zu finden, erkennt aber erst spät, dass wahres Glück nicht in äußeren Erfolgen liegt.


Goethe selbst war jemand, der nicht nur äußeres Wissen suchte, sondern auch nach tieferem Verstehen strebte. Vielleicht ist Faust deshalb nicht nur ein Drama, sondern auch ein Spiegel der inneren Entwicklung des Menschen.


Faust ist kein klassischer Sünder, der für eine falsche Entscheidung bestraft wird. Er steht für das Menschsein in all seinen Facetten – mit seinen Irrtümern, seinen Hoffnungen, seinen Verlangen und seiner Sehnsucht, über sich hinauszuwachsen. Und genau darin liegt eine wesentliche Botschaft: Entwicklung geschieht nicht durch Perfektion, sondern durch Erfahrung. Durch Versuch und Irrtum, durch die Auseinandersetzung mit uns selbst und der Welt. Faust zeigt, dass es nicht darum geht, niemals fehlzugehen – sondern darum, auf dem eigenen Weg immer bewusster zu werden.



Wie Fausts Reise die Bewusstseinsstufen widerspiegelt


Am Ende bleibt Fausts Suche nach Erkenntnis – ein Sinnbild für den menschlichen Zwiespalt zwischen der Kraft des Glaubens und der Sicherheit wissenschaftlicher Erkenntnis. Diese Spannung zeigt sich auch in den Stufen der Bewusstseinsskala nach Hawkins. In den unteren Stufen ist der Mensch oft gefangen in negativen Emotionen, geprägt von Schubladendenken, Opferhaltung und dem starren Gegensatz zwischen Verstand und Gefühl. Goethes Faust I spiegelt genau diese Ebenen wieder. Der anfängliche Zweifel, seine Hoffnungslosigkeit und vor allem Verlangen und Gier spiegeln genau diese Ebene wider, die stark vom Ego getrieben sind.


Faust II beginnt noch in den niederen und mittleren Bewusstseinsstufen (Ego, Machtstreben, Verlangen, Schuld, Scham). Seinen Pakt mit Mephisto behält er fast bis zum Schluss – doch Schritt für Schritt wandelt sich sein Streben, mit ehrenhafteren Absichten, etwas Schöpferisches für die Nachwelt zu hinterlassen. Schließlich erkennt er, dass der Pakt mit Mephisto ihm niemals wirkliche Antworten und Erfüllung gebracht hat, selbst in seinen guten Absichten für die Nachwelt. In diesem Moment will er sich davon lösen, überlässt Mephisto seine Seele und fällt tot um. Doch Engel retten ihn und gewähren ihm Erlösung mit den Worten: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“


Die Engel deuten damit an, dass nicht Perfektion oder fehlerloses Handeln entscheidend sind, sondern die innere Haltung des Menschen. Wer aufrichtig nach Erkenntnis sucht, sich weiterentwickelt und aus seinen Erfahrungen lernt, kann letztlich Erlösung finden – trotz aller Irrwege und Fehler. Fausts lebenslanges Streben zeigt, dass wahres Wachstum im Prozess liegt, nicht im Erreichen eines endgültigen Ziels.



 

Wenn du mehr über die Hawkins Bewusstseinsskala erfahren willst findest du mehr in meinem Artikel "Die Hawkins Bewusstseinsskala als Leitfaden für ein (selbst-)bewusstes, glückliches Leben"








 
 
 

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